KINDER BRAUCHEN THEATER
Das Statement der ASSITEJ zum Corona-Lockdown im November 2020
Frankfurt am Main, 29. Oktober 2020
Kinder und Jugendliche konnten in den letzten Monaten endlich wieder Theater erleben und wir haben gesehen und erfahren: Sie brauchen die Begegnung mit Kunst jetzt dringlicher denn je! Kunst öffnet Welten, Kunst gibt Raum für Humor, für Utopie, für Fragen und Erlebnisse. Kulturangebote für Kinder und Jugendliche stärken und unterstützen junge Menschen und damit auch Familien und Bildungsinstitutionen, die sich in einem Dauerzustand der Überforderung und Verunsicherung befinden.
Die Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen müssen in den aktuellen Debatten zur Eindämmung der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle spielen.
Kinder brauchen Theater!
Was kann das in der aktuellen Situation heißen und wie können wir Begegnungen mit Kunst in einem veränderten und auch eingeschränkten Alltag ermöglichen?
Die Darstellenden Künste für junges Publikum schaffen Angebote für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen. Theaterbesuche sind hier nicht einfach Freizeit und Hobby, sondern sie sind Angebote kultureller Bildung, die zum (Lern-)Alltag von Kindern und Jugendlichen gehören. Die Begegnung und Auseinandersetzung mit Kunst ist ein Bildungsprozess, der vielschichtig und unverzichtbar ist. Etablierte Programme wie Theater und Schule/ThuSch, der kulturelle Schulrucksack, Künstler an Schulen, Theater als Bildungspartner usw. belegen das Wissen um diese Tatsache.
Kulturverwaltungen und Schulverwaltungen müssen jetzt gemeinsam Modelle schaffen, die bis zu den Sommerferien 2021 tragfähig sind und sowohl den Schulen als auch ihren Partnern in der Kultur verlässliche Rahmenbedingungen bieten!
Wir fordern daher die Öffnung von Kinderkultureinrichtungen!
Wo Schulen und Kitas geöffnet sind,
- sollten die Interessen der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen. Was brauchen sie für den Umgang mit der aktuellen Situation? Künstlerische Prozesse und eigenes künstlerisches Tun bieten viele Möglichkeiten für solche Auseinandersetzungen.
- können auch innerhalb der Schule oder Kita kulturelle Angebote geschaffen werden: Theater auf dem Schulhof, Gastspiele für jeweils eine Klasse in der Turnhalle, Workshops auf Distanz, analog-digitale Interaktionen und künstlerische Forschung im Alltagsumfeld der Kinder und Jugendlichen.
- werden auch Wege zurückgelegt. Theaterbesuche im Klassenverband sind möglich und die Theater stehen als Partner für kreative Lösungen bereit.
- sollten auch außerschulische Aktivitäten möglich sein. Diese können kontaktarm und mit umfassenden Hygieneregeln durchgeführt werden. Die Instrumente dafür haben wir in den vergangenen Monaten erarbeitet und erprobt. Lüftung und Abstand in Theaterräumen sind besser als in den Klassenzimmern. Der Besuch eines Ortes außerhalb der Schule und des familiären Umfelds ist Erholung und Impuls gerade in Zeiten reduzierter Angebote und der Verlagerung von Aktivitäten in den digitalen Raum.
Die Darstellenden Künste für junges Publikum haben in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie funktionierende Hygienekonzepte für Vorstellungen, mobile Produktionen in Schulen und im öffentlichen Raum, im Klassenverband nutzbare Räume und viele weitere Lösungen für die aktuelle Situation vorhalten. Nutzen Sie diese Ressource und ermöglichen Sie weiterhin die Arbeit der Theater und Künstler*innen als Partner der Schulen!
Wo Schulen geschlossen werden, braucht es andere Orte für
- Kinder und Jugendliche, an denen sie Ansprechpartner*innen außerhalb der Familie finden.
- Begegnungen mit Kunst.
- kulturelle Bildungsprozesse.
- soziales Miteinander mit Hygieneregeln, Abstand und kreativen Lösungen.
- für die Teilnahme an digitalen (Unterrichts-)Angeboten an denen zum Beispiel ein WLAN-Zugang zur Verfügung steht.
- Konzentration und Lernen.
- Recherche und Lektüre.
- Kommunikation mit Abstand oder digital.
- Spiel und Spaß.
Theater können alle diese Orte sein. Sie brauchen dafür eine angemessene finanzielle Ausstattung und das Vertrauen der Behörden vor Ort sowie – und das steht an erster Stelle Partner in den Kommunen und Ländern, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen auch jetzt nicht von ihrer Prioritätenliste streichen.
Und selbstverständlich sind Theater auch Arbeitsplätze. Die Menschen, die in der Kultur arbeiten brauchen politischen Rückhalt und finanzielle Unterstützung.
Kultur ist kein Luxus und auch nicht nur für gute Zeiten. Kultur kann gerade in schwierigen Zeiten der Ort sein, der die Gesellschaft zusammenhält und Gespräche auch zu komplexen Fragen ermöglicht!
Wir appellieren an alle Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen: Nutzen Sie diese Kraft und machen Sie Kultur, kulturelle Bildungsprozesse und kulturelle Teilhabe möglich! Für alle Generationen und vor allem für Kinder und Jugendliche, die Halt und Hoffnung gerade jetzt brauchen und in kulturellen Angeboten finden!
ASSITEJ e.V.
Schützenstraße 12
60311 Frankfurt am Main
Vorstand: Brigitte Dethier (Junges Ensemble Stuttgart, Vorsitzende), Andrea Maria Erl (Theater Mummpitz Nürnberg), Jutta M. Staerk (Comedia Theater Köln), Julia Dina Heße (Wiesbaden), Lydia Schubert (Theater der Jungen Welt Leipzig), Dr. Birte Werner (Wolfenbüttel), Stefan Fischer-Fels (Junges Schauspiel Düsseldorf), Bianca Sue Henne (Mecklenburgisches Staatstheater), Rebecca Hohmann (Theater Bremen), Wolfgang Stüßel (Theater Strahl Berlin), Lisa Zehetner (Düsseldorf)
Kontakt: Meike Fechner (Geschäftsführerin) m.fechner@kjtz.de